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Wies‘nzeit: Wo sich das Happy von Birthday trennt

@FrauHausMann hasst die Wiesn … und ihren Geburtstag! Warum das so ist und warum man das als anständiger Münchner auch sollte, erzählt sie hier.

Immer wenn der Sommer langsam in den Herbst übergeht, werde ich leicht melancholisch. Nicht weil ich den Herbst nicht mag. Als typischer Münchner hatte ich nur lange einen ziemlichen Hass auf das Wiesn-Chaos. München ist eigentlich wunderschön im Herbst, mit seinen großen grünen Parks, die nun ganz bunt werden, der nochmal kurz trotzig auflebenden Biergartenkultur, die sich dann immer mehr ins Bierzelt verlagert, und den Heiße-Maroni-Ständen, die erste Vorboten der Weihnachtsmärkte sind. Genau wie die Rückkehr zu Chai Latte und Pumkin Spice in den hippen Coffee Shops und den Lebkuchen und Chrystanthymen, die plötzlich neben allen Schulanfangs-Sachen in den Supermärkten sind, gehören all diese Dinge einfach zum Herbstanfang dazu. Genau wie mein Geburtstag. Der Grund für meine Melancholie. Sobald das erste Laub von den Bäumen fällt, weiß ich, dass ich wieder ein Jahr älter bin und damit auch, dass sich mal wieder nix geändert hat. Ich bin wieder nicht schlank und sexy geworden. Wieder keine Millionärin. Wieder nur Single. Oder besser gesagt, immer noch.

Münchner sein, heißt Wies‘n hassen

Überhaupt hasst man als echter Münchner, die Wiesn. Denn Wies‘nzeit heißt übervolle U-Bahnen, Besoffene überall, vollgekotzte Hauseingänge besonders in den Vorgärten, der unmittelbaren Anwohner aber auch an vielen anderen Orten etc. München wird also zur Wies’nzeit ein bisschen wie Berlin. Der Grant ein Münchner Urgefühl, kocht in dieser Zeit in jedem von uns hoch. Kraizcruzifix Sackl Zement nochamoi! Der Grant, um es mal für Preißen zu erklären ist eine Art Urzorn, der jedem typischen Münchner innewohnt. Grantig sein bedeutet wütend sein oder eben mit der Gesamtsituation unzufrieden zu sein. Und wir Bayern und Münchner fühlen uns eben am wohlsten, wenn wir unsere Stadt für uns haben.

Wo also Geburtstag feiern?

Letztes Jahr war mein 35. Geburtstag. Ich nahm das nach einer Anzahl schlechter Jahre (Ihr wisst schon: Corona, Ukrainekrieg, Ampelchaos etc.) zum Anlass zum zweiten Mal meinen 18. Geburtstag zu feiern. Zugegeben mit etwas Selbstironie und im kleinen Kreis, weil ich mich dunkel dran erinnerte in Herr der Ringe: Die Gefährten gelesen zu haben, dass Hobbits mit 35. volljährig werden. Und nun ja, ich hab haarige große Zehen, interessiere mich für Stammbäume und esse gern zu viel, also bin ich vielleicht eine bisher unentdeckte Hobbit-Art. Wenn auch eine die ziemlich groß wird und nicht in Mittelerde lebt. Und mein erster 18. Geburtstag war sowieso für die Tonne, weil ich ihn in meiner ersten Woche Schüleraustausch in England hatte und dort noch niemanden kannte. Ihr seht also: Ich liebe Geburtstage. Nicht! 

Diesmal Spontanausfall

Mein 36. findet — sofern ich feiere — unter dem Motto statt, dass ich mich endlich in mein Schicksal, als alte Schachtel füge. Schließlich war mein ganzes Leben sowas wie eine Ausbildung zur alten Jungfer. Angefangen damit, dass ich mit einer Oma aufwuchs, die eine sehr rigide, katholische Sexualmoral hatte und einem Opa, der Angst vor allen fremden Menschen hatte, sodass ich als Teenager ziemliche Angst davor hatte ihnen einen möglichen Freund vorzustellen. Meine anderen Großeltern und meine Eltern hätten da weniger Probleme gehabt, aber daran dachte ich gar nicht vor lauter Panik. Und das brauchte ich auch nicht. Denn in der Pubertät lernte ich dank extremem Mobbing, dass Jungs aller Art eh nicht auf mich stehen. Meinen ersten und einzigen Freund hatte ich mit Mitte 20. Ich trennte mich nach drei Jahren, weil er sehr egoistisch war und — ihr ahnt es — unter anderem jedes Jahr meinen Geburtstag vergaß, weil ihm der Wiesnanstich viel wichtiger war. 

Schachteln und Red Flags

Dazu kommt noch, dass ich schon immer irgendwie gerne Dinge gemacht habe, die eher typisch für alte Leute sind: Lesen, Spazieren gehen, Blumen anpflanzen, Dinge sammeln und ordnen. You Name it. Alles nicht besonders sexy. Ich weiß. Als ich mit meinem Ex-Freund zusammen war, lernte ich Häkeln und wollte ihm nach ersten Versuchen eine Mütze in den Farben des FC Bayerns machen, seines absoluten Lieblingsvereins, doch er lehnte das kategorisch ab. Häkeln sei doch Omakram und außerdem dürfte nur das Allerbeste auf seinen Kopf. Eine Entschuldigung für diesen Satz gab es nicht. Genau wie Bitte und Danke nicht in seinem Wortschatz existierten. Es war eine von dutzenden Red Flags, die ich während unserer Beziehung überfuhr, als wären sie Stoppschilder. Irgendwann konnte ich das einfach nicht mehr. Eine neue Partnersuche wurde von meiner Ausbildung an der DJS und der Pandemie unterbrochen und jetzt bin ich halt so wie ich bin. Jemand, der auch alleine sein kann. Jemand, der wieder 18 ist und das werde ich lange sein, denn ich weiß nicht, wann Hobbits 19 werden.

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