Adventskalender Türchen 5: Nikolo Bum Bum – Wenn der Krampus zur Rute greift
Weihnachtszeit! Die Rute dräut! Um das Warten zu verkürzen und den Stress zu vergessen, gibt es hier jeden Abend eine kleine Geschichte rund um Christbaum und Co. Mal witzig, mal weise, mal lecker und mal ganz anders. Denn die Welt macht im Advent ja keine Pause. Heute setzt sich @FrauHausMann mit einem düsteren Gesellen auseinander, der sie früher immer zusammen mit dem Nikolaus besucht hat.
Nikolo bum bum! Der Nikolo geht um! Äpfel, Birn und Mandelkern essen brave Kinder gern. — bayerisches Volkslied
Wart ihr auch alle schön artig? Wirklich? Glück gehabt! Morgen kommt der Weihnachtsmann! Und wie immer nicht alleine. In unseren Breiten hat er nicht Rudolph, das Renntier mit der roten Nase dabei, sondern seinen Helfer Krampus. Eine kontroverse Figur mit heidnischen Wurzeln und vielen Namen: Krampus (in Österreich, Ungarn, Tschechien und Bayern), Schmutzli (Schweiz),Knecht Ruprecht (Nord- und Mitteldeutschland), (Zwarte) Piet /Père Fouettard (in Belgien, den Niederlanden und Teilen Frankreichs) oder Klaasohm (u.a. auf Borkum und Texel).
Weltbekannt wurde er vor allem in seiner alpenländischen Form durch das Internet. Dort bauten ihn begeisterte Horror- und Anime-Fans in neue düstere Weihnachtsgeschichten ein und gaben ihm eine an die Perchten angelehnte Form, die eher einer Ziege ähnelt. So tritt er z.B. im Weihnachtsschoker Krampus (2015) auf , der als Horrorkomödie gelabelt wird (Achtung SPOILER!), weil Krampus darin eine völlig zerstrittene Familie durch Terror wiedervereint.
Bei uns ist er Brauchtum und Folklore, gespielt von meist jungen Männern in je nach Region variierenden Kostümen. Brauchtum, das einem mitunter blauen Flecken verpasst. So geschehen auf der ostfriesischen Insel Borkum, auf der als Klaasohm („Onkel Klaus“ – Ohm wird dort als höfliche Anrede für ältere Männer verwendet.) verkleidete Männer jedes Jahr am 5. und 6. Dezember Frauen mit Kuhhörnern auf den Hintern schlagen. Nachdem mehrere Frauen Reportern des ARD-Formats Panorama- Die Reporter erzählten, dass sie gejagt, festgehalten und so geschlagen wurden, dass sie Schmerzen hatten, soll das Kuhhorn schlagen verboten werden.
Eine mildere Krampus-Version gab es an meiner Schule. Jedes Jahr an Nikolaus (sofern, der Tag nicht aufs Wochenende fiel) liefen mehrere als Nikolaus verkleidete Lehrer mit einer Schar Kramplrn, als Krampusse verkleideten Oberstuflern, durch unser Gymnasium und besuchten jede Klasse. Der Hauptkrampus war übrigens unser Schulhausmeister. Dabei rissen die Krampusse als Erstes die Tür auf, stürmten hinein und schlugen mit Ruten um sich. Federmäppchen und Bücher flogen. Schüler versteckten sich in Ecken oder unter Tischen. Manchen zogen schnell den Schulranzen über, um Schläge auf den Rücken abzumildern. Andere Jungs versuchten ihnen die Ruten wegzureisen. Das Chaos hielt an, bis der Nikolaus eintrat und allen aus seinem goldenen Buch vorlas. Dort standen kleine Reime über ausgewählte Schüler. Wer aufgerufen wurde, musste aufstehen und wurde von zwei Krampussen flankiert. War man ein schlechter Schüler oder gemein zu anderen, gab es leichte Rutenschläge auf den Rücken. Das betraf eher die Jungs. War man brav, strichen einem die Krampusse vorsichtig mit der Rute über den Oberkörper. Das betraf eher uns Mädchen, z.B. mich. Waren alle Watschen ausgeteilt warfen die Krampusse zum Abschied Süßigkeiten ins Klassenzimmer.
Manche Jungs hatten solche Angst vor ihnen, dass sie im Folgejahr den ganzen Nikolaustag in ihren dicken Jacken verbrachten und sich schließlich noch ein Jahr später zusammentaten, um die Krampusse zu verprügeln. Das hatte den Zorn des Nikolaus zur Folge, der uns als „schlimmste Klasse der Schule“ bezeichnete und umgehend wieder ging. Kurze Zeit später verfügte unser Schulleiter, dass es wegen unseres Verhaltens keinen Nikolausbrauch mehr geben würde. Also auch keine Schokolade oder Verse.
Was will ich damit sagen? Damals waren andere Zeiten! Es gab noch kein #Woke und kein #MeToo. Auch kein Fifty Shades of Grey und manche meiner Mitschüler spielten selbst schlimme Streiche. Aber ich finde, deswegen sollte man nicht komplette auf Bräuche verzichten. Aber ein Brauch ist eben auch kein Freibrief für Grenzüberschreitungen. Schließlich könnte sich der echte Krampus auch den Rüpel greifen, der als er verkleidet zu weit geht.
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