Raus aus der Bubble
Ich. Hier. Jetzt. In der Linguistik nennt man das deiktisches Zentrum. Jeder von uns ist immer hier und jetzt. Im Zentrum seiner eigenen Wahrnehmung. Seiner eigenen Welt oder Bubble, wie man Neudeutsch/Denglisch sagt. Diese ist jedoch häufig klein, sodass man frei nach Platons Höhlengleichnis die darin häufig vorkommenden Inhalte für die einzige, ganze Wahrheit hält. In mancher Bubble ist die Erde flach. In anderen die Quantenschleifengravitation am Werk. In wieder anderen der liebe Gott oder das Universum oder ein Spaghettimonster. In vielen mehrere davon gleichzeitig. Manche Bubbles lieben Atomstrom und Diesel und glauben, dass Deutschland und Europa viel zu klein sind und man eigentlich in China, den USA und Indien alles umkrempeln müsste. Andere Bubbles glauben an Erneuerbare, an Gender und das Fahrrad als Maß aller Dinge. Prallen diese Bubbles aufeinander, kann es für alle Beteiligten zu unangenehmen Störungen in ihrer jeweiligen Matrix kommen. Besonders dann, wenn die Gegenbubble etwas ausspricht, dass eigentlich Sinn macht. Dann platzt im schlimmsten Fall die Bubble und man fragt sich. Wer bin ich und ist das, was ich glaube eigentlich richtig? Das ist aber selten. Intakte Bubbles bewegen sich einfach wieder auseinander und ihre Bewohner schütteln sich kurz und sagen sich, dass das alles völliger Quatsch ist!
Ich. Hier. Jetzt. Diese drei Punkte verorten uns im Sein. Coaches und Topmanager raten einem ja immer „Raus aus der Comfort Zone“ zu gehen. Denn dort jenseits der sicheren Bubble mit veganem Müsli und Barista Hafermilch beginnt erst die richtige Welt, in der man wachsen und sich entwickeln kann. Beim Sport heißt das in den Schmerz gehen. Atmen. Challenges meistern. Außerhalb der Komfortzone. Weiter machen auch wenn alles krampft. Man steht zu Uhrzeiten auf, bei denen man sich früher nochmal dreimal umgedreht hätte, bevor man bei einem weiteren Weckversuch den verdammten Wecker zerstört. Im echten Leben tun wir das oft nicht. Wir vermeiden das Gespräch mit dem komischen Nachbarn, der vielleicht die AfD wählt. Wir wollen keine Diskussionen mit eingefleischten Gewerkschaftlern führen, wenn wir selber felsenfest glauben, dass der Markt ja immer alles regelt. Stattdessen bleiben wir lieber unter uns. Weg von der Mitte. Hin zum Rand. Denn wo wir sind, ist ja sowieso automatisch die Mitte unseres Universums und je näher jemand an unserem eigenen deiktischen Zentrum ist, umso normaler finden wir ihn. Und umso weniger müssen wir nachdenken. Schließlich sind wir ganz in unserer gemütlichen Bubblehöhle, in der nur unsere eigenen Themen über den Bildschirm flimmern.
Foto: ddimitrova